Für künstliche Intelligenz (KI) gibt es wohl keine allgemein anerkannte Definition, doch wenn jemand über ihre historische Entwicklung schreibt, muss er eine bestimmte Definition im Kopf haben. Für mich ist künstliche Intelligenz das, was Maschinen intelligent macht, und Intelligenz ist die Eigenschaft, die ein Wesen dazu befähigt, angemessen und mit Voraussicht in seiner Umgebung zu agieren. Nach dieser Definition sind viele Dinge intelligent – Menschen, Tiere, einige Maschinen. Maschinen, wie z. B. “intelligente Kameras”, und viele Tiere befinden sich am primitiven Ende der weiten Skala, mit der Wesen nach ihrer Intelligenz angeordnet werden können. Am anderen Ende befinden sich die Menschen, denn sie können schlussfolgern, Ziele erreichen, Sprache verstehen und produzieren, sensorische Impulse wahrnehmen und verarbeiten, mathematische Sätze beweisen, Spiele spielen, Informationen sammeln und zusammenfassen, Kunst und Musik erschaffen und sogar Geschichten schreiben. Weil es abhängig von der Umwelt so viele verschiedene Fähigkeiten erfordert, um “angemessen und mit Voraussicht zu agieren”, gibt es in Wirklichkeit verschiedene Skalen von Intelligenz, ohne genaue Abgrenzungen dazwischen. Aus diesem Grund habe ich eine eher weit gefasste Sicht auf das, was die KI ausmacht. Meine Geschichte dieses Gebiets wird daher von Zeit zu Zeit ebenfalls ein bisschen Regelungstechnik, Elektrotechnik, Statistik, Linguistik, Logik oder Informatik behandeln.
Es gibt bereits andere Darstellungen der KI-Geschichte, doch die Zeit schreitet voran und damit auch die KI, demzufolge ist auch eine neue Geschichte erforderlich. Ich war fünfzig Jahre lang auf dem Weg zur KI – mein gesamtes Berufsleben und nahezu die ganze Lebensdauer dieses Forschungsgebiets lang. Ich dachte daher, es wäre eine gute Idee, wenn ein “Eingeweihter” versuchen würde, die Geschichte dieses Wegs von seinem Ursprung bis zur Gegenwart zu erzählen.
Ich habe dabei drei Arten von Lesern im Sinn. Zum einen denke ich an den klugen Laien, der sich für wissenschaftliche Themen interessiert und wissen möchte, worum es in der KI geht. Die zweite Gruppe, möglicherweise überlappend mit der ersten, ist beruflich in diesem Gebiet tätig und muss aus verschiedenen Gründen über KI Bescheid wissen. Sie würde daher von einer vollständigen Darstellung des Fachgebiets profitieren – wie es begann, wo es jetzt steht und wo es hingeht. Diesen beiden Gruppen verspreche ich, auf komplizierte mathematische und computertechnische Fachausdrücke zu verzichten, dafür viele Illustrationen zu präsentieren und mich zu bemühen, die Funktionsweise von KI-Programmen und -Techniken anschaulich zu beschreiben. (Außerdem werde ich viele Fotos von Forschern der KI einfügen. Die Auswahl ist ein bisschen willkürlich und gibt nicht unbedingt die Bedeutung der Personen für die KI wieder.)
Die dritte Gruppe besteht aus den Forschern, Studenten und Dozenten, die sich mit KI beschäftigen und die aus einem Überblick darüber, welche Versuche begonnen wurden, was funktionierte und was nicht, sowie aus Quellenangaben zu historischen und anderweitigen Informationen ihren Nutzen ziehen können. Für alle, die sich mit einem bestimmten Fachgebiet beschäftigen, ist es wichtig, dessen Geschichte zu kennen, denn zum Beispiel können viele Ideen, die früher verworfen wurden, heutzutage dank der besseren technischen Möglichkeiten realisierbar sein. Für diese Gruppe werde ich zahlreiche Verweise zu Quellenmaterial jeweils am Ende der Kapitel anfügen. Der unbedarfte Leser kann diese Anmerkungen unbesorgt überspringen. Manche Websites mit interessanten Filmen, Demonstrationen und Hintergründen werde ich direkt im Haupttext erwähnen. (Sollten diese Links ins Leere laufen, sind sie vielleicht über die “Wayback Machine” (ein Internetarchiv) unter http://www.archive.org zu erreichen.)
Die Geschichte der KI wird in diesem Buch abgesehen von ein paar Rück- und Ausblicken einigermaßen chronologisch erzählt. Ein paar Personen und Ereignisse habe ich sicher ausgelassen, aber ich hoffe, dass das Buch die Hauptideen, Diskussionen, Erfolge und Grenzen halbwegs repräsentativ wiedergibt. Ich konzentriere mich mehr auf Ideen und ihre Verwirklichungen als auf Personen. Ich glaube nämlich, dass es wichtig ist, etwas über die tatsächliche Arbeitsweise von intelligenten Programmen zu wissen, zumindest in groben Zügen, um die Geschichte der KI einschätzen zu können.
KI bedeutet also, eine Maschine mit Intelligenz auszustatten, aber was ist eigentlich eine Maschine? Für viele Menschen ist eine Maschine ein eher schwerfälliges Ding. Das Wort erinnert an kreischende Zahnräder, zischende Ventile und klirrende Stahlteile. Inzwischen hat der Computer unseren Begriff von einer Maschine allerdings stark erweitert. Ein funktionsfähiges Computersystem besteht sowohl aus Hardware als auch aus Software und oft bezeichnen wir die Software selbst als “Maschine”. Wir sagen zum Beispiel “Maschinen, die Schach spielen” und “lernende Maschinen”, wenn wir eigentlich die Programme meinen, die es tun. Die Unterscheidung zwischen Hard- und Software ist inzwischen etwas verwischt, weil bei den meisten modernen Computern einige der Programme direkt in ihre Hardware eingebaut sind.
All die Fähigkeiten und das Wissen, das ich in dieses Buch einfließen lasse, habe ich durch die Unterstützung vieler Menschen, Institutionen und Förderorganisationen erworben. Als Erstes ließen mich meine Eltern, Walter Alfred Nilsson (1907–1991) und Pauline Glerum Nilsson (1910–1998), das Licht der Welt erblicken. Sie gaben mir die richtige Mischung aus Geringschätzung gegenüber Mittelmäßigkeit und Ausreden (Walter), liebevoller Fürsorge (Pauline) sowie Lob und Ermunterung (beide). Die Stanford University ist buchstäblich und im übertragenen Sinne meine “Alma Mater” (lateinisch für “nährende Mutter”). Zunächst als Student und später als Mitarbeiter (jetzt Emeritus) konnte ich stets von Kollegen der gesamten Universität und besonders von Studenten gewinnen und lernen. Das SRI International (früher Stanford Research Institute) bot mir die Heimat mit Fachkollegen, die mich dabei unterstützten, über KI zu lernen und KI zu “betreiben”. Mein besonderer Dank gilt dem verstorbenen Charles A. Rosen, der mich 1961 überredete, dort seiner “Learning Machines Group” beizutreten. Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), das Office of Naval Research (ONR), das Air Force Office of Scientific Research (AFOSR), die U.S. Geological Survey (USGS), die National Science Foundation (NSF) und die National Aeronautics and Space Administration (NASA) ermöglichten in den letzten 50 Jahren viele Forschungsprojekte, an denen ich beteiligt war. Ich schulde ihnen allen Dank.
An all die vielen Menschen, die mir bei der Recherche und dem Schreiben dieses Buchs hilfreich zur Verfügung standen, inklusive der anonymen und weniger anonymen Kritiker: Bitte nehmt meinen aufrichtigen Dank an und habt Verständnis dafür, dass ich euch in diesem Vorwort nicht alle persönlich nennen kann. Ich müsste zu viele von euch aufzählen, und ich möchte auf keinen Fall jemanden vergessen, der vielleicht nur kleine, aber wichtige Anregungen gegeben hat. Sei's drum, ihr wisst, wer ihr seid. Viele von euch werde ich im Buch selbst erwähnen. Wen ich allerdings jetzt nennen möchte, das sind Heather Bergman von Cambridge University Press, Mykel Kochenderfer, ein ehemaliger Student, und Wolfgang Bibel von der Technischen Universität Darmstadt. Sie haben frühe Versionen dieses Manuskripts sorgfältig gelesen und mir viele hilfreiche Hinweise gegeben. (Mykel gab mir außerdem wertvolle Tipps zum Textsatzprogramm LaTeX.)
Danken möchte ich auch den Erfindern, Entwicklern und Administratoren des Internets, des WWW und der Suchmaschinen, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, dieses Buch zu schreiben. Dank der Nutzerlizenzen von Stanford konnte ich Journalartikel, Archive und andere Materialien finden und durchsuchen, ohne von meinem Schreibtisch aufstehen zu müssen. (Ich musste mich trotzdem in Bibliotheken begeben, um nach Büchern zu suchen. Liebe Verleger, bitte ermöglichen sie es, urheberrechtlich geschützte Bücher einzuscannen und online bereitzustellen, vor allem solche, die nur noch selten verkauft werden. Treten Sie ins 21. Jahrhundert ein!)
Schließlich möchte ich in besonderem Maße meiner Frau Grace danken, die mich stets fröhlich und geduldig angetrieben hat.
1982 schrieb der inzwischen verstorbene Allen Newell, einer der Väter der KI:
Schließlich werden echte Geschichten der künstlichen Intelligenz geschrieben werden, … so objektiv, wie die Geschichtsschreiber der Wissenschaft nur können. Diese Zeit ist allerdings noch nicht gekommen.
Vielleicht ist sie es jetzt.